Musik wie Wasser – Replik 2 – Musik-Flatrate – Kapitulation oder Segen?

Replik 2 – Musik-Flatrate – Kapitulation oder Segen?

Poto Wegener – Swissperform -www.swissperform.ch
In seinem Vorschlag «Die Musik-Flatrate – das Schweizer Modell» sieht Gerd Leonhard «klare Vorteile» der Flatrate gegenüber den herkömmlichen Verwertungsmodellen von Musik. Doch treffen die von ihm angeführten Vorzüge der Flatrate auch tatsächlich zu? Eine Einschätzung.

Vorteil 1: Keine grundsätzliche Änderung des Urheberrechts nötig.
Falsch. Eine Kulturflatrate würde Anpassungen elementarer Grundpfeiler des nationalen Urheberrechtsgesetzes erfordern. Diese Änderungen hätten zudem die Verletzung verschiedener von der Schweiz unterzeichneter internationaler Urheberrechtsabkommen zur Folge.

Vorteil 2: Umsätze der Musikindustrie und Urheber könnten potentiell verdoppelt werden. Falsch. Das Modell vergleicht Äpfel (prognostizierte Einnahmen der Musik-Flatrate) mit Birnen (Umsatzzahlen der Mitglieder des Branchenverbandes der Schweizer Tonträgerproduzenten Ifpi Schweiz). Nicht berücksichtigt werden weitere Einnahmen aus der Verwertung von Musik, so etwa von den Verwertungsgesellschaften Suisa und Swissperform für die Berechtigten einkassierte Gelder. Von einer Verdoppelung kann also keine Rede sein.

Vorteil 3: Bestehende Anbieter, wie z.B. die Suisa oder auch Spotify, könnten als Dienstleister integriert werden.
Stimmt. Eine solche Integration wäre möglich. Vorteil 4: Die Schweizer Internet-Nutzer könnten bei dem Thema Musik endgültig entkriminalisiert werden, und eine neue Struktur könnte für eine digitale Musikindustrie entstehen.

Falsch: Schweizer Internet-Nutzer sind be- reits heute nicht kriminell; Nach schweize- rischem Urheberrechtsgesetz ist der Down- load ab einem P2P-Netzwerk zur privaten Nutzung frei. Illegal ist nur der Upload. Würde auch dieser im Rahmen einer Musik- Flatrate legal, entstünde nicht «eine neue Struktur für eine digitale Musikindustrie». Ganz im Gegenteil: Mit einer solchen international einmaligen Neuerung würde die Schweiz zu einem sicheren Hafen für Anbieter von Internet-Piraterie; ein jubelnder Kim Schmitz könnte Angebote wie Megaupload sorgenfrei von der Schweiz aus steuern.

Vorteil 5: Das Schweizer Modell könnte in ganz Europa oder sogar weltweit Anwendung finden.

Falsch. Die skizzierte Legalisierung des Upload würde zu einer internationalen Isolierung der Schweiz führen.
Aufgrund der genannten Einwände lässt sich erahnen, dass mit einer Flatrate mehr Probleme geschaffen als gelöst würden. Die Einführung einer solchen Pauschalgebühr wäre die Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts in der digitalen Welt. Kulturschaffende und mit ihr die Kulturwirtschaft sprechen sich deshalb gegen dieses Modell aus.

Author: boos

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