Musik wie Wasser – These Gerd Leonhard

These – Eine neue digitale Musiklizenz und die Musik-Flatrate – Made in Switzerland?

Gerd Leonhard The Futures Agency www.mediafuturist.com

Musik wie Wasser… sagte David Bowie 2001 in der New York Times voraus. Seither fliesst digitale Musik «wie Wasser» – überall, jederzeit, als Download, per Stream. Die Grenzen zwischen Anhören und Besitzen verwischen und genau diese Realität fordert die gesamte Musikbranche heraus. Internet-zentrierte Einkommens- und Lizenzmodelle müssen dem Rechnung tragen, denn die Online Piraterie ist kein technisches oder sozio-kulturelles Problem sondern die Konsequenz eines fortwährend hartnäckigen Versagens der Musikwirtschaft: «Piracy is unmet demand».

Marktversagen

Schweizer Statistiken belegen die Weigerung der Musikindustrie, sich neu zu erfinden: «Der Schweizer Musikmarkt verbuchte 2011 weitere dramatische Umsatzrückgänge von 16%. Umsätze aus CD-Verkäufen sanken um weitere Fr 23,2 Mio auf Fr 124,1 Mio. Die 18%ige Steigerung im digitalen Markt konnte dies nicht kompensieren.» (Bill- board.biz 6.4. 2012).

Der Vertrieb eines musikalischen Werkes ist bald nicht mehr die kommerziell treibende Kraft, denn die Musikindustrie bewegt sich unaufhaltsam vom Kopien-Verkaufen zum Zugang-Anbieten (Bundling) und Mehrwert-Upselling. Je früher dieser Wandel legalisiert und marktgerecht stattfindet, desto schneller entwickelt sich ein neuer Markt.

Überwachungsstaat zum Schutz alter Modelle?

Fehlgeschlagene Initiativen der Tonträger- lobbys wie Sopa, Hadopi, 3-Strikes, haben immer die totale Überwachung der persönlichen Internetnutzung zum Zweck der Verhinderung von Copyrightverletzungen zum Ziel. Dies ist nicht im Sinne der Schweizer BürgerInnen.

Die letzten drei Jahre haben KünstlerInnen und Musikfirmen neue Einnahmequellen er- öffnet. HD-Angebote für Klassik und Jazz, Live-Streaming, Webcasts und Video-On-Demand von Konzerten, Branded Content, Fanclubs und Mobile Apps generieren neue Einnahmen für Künstler und Urheber – sofern sie auf einer legalen digitalen Grundversorgung basieren.

Ziel und Zweck einer digitalen Musiklizenz und Flatrate

Urheber, Künstler und Produzenten werden fair und transparent vergütet, und die Schweizer Konsumenten mit einem legalen, fairen und attraktivem Musikangebot versorgt. Internet-Musiknutzer werden entkriminalisiert und legal eingebunden, was Anreiz für zusätzliche, kommerzielle Angebote schafft. Es entsteht eine digital-orientierte, konsumerfreundliche Musikindustrie.

Das Modell im Überblick: Für 1 Franken pro Woche/Schweizer Nutzer bietet die hiesige Musikindustrie Dritten wie Telekoms, Mobilfunk-Anbieter, ISPs, Radiosender, Inter- netportale, einen fixen Musiktarif an, womit sie das unlimitierte Nutzen (Streams, Down- loads) aller verfügbaren inter-/nationalen Werke regelt (ausser Live-Konzerte, Web- casts, Vorveröffentlichungen, HD-Versionen, Premiumangebote).

Bei grob geschätzten 3 Mio Schweizer Nut- zern würden Fr 3 Mio p/Wo bzw. Fr 156 Mio p/Jahr eingenommen, wobei dieser Wochen- Franken auch durch die in Produkte von kommerziellen Anbietern integrierte Musik-Flatrate finanziert werden kann.

Beispiele lassen sich einige denken, z.B. 1) kann ein Mobilfunkanbieter ein Inklusiv- Musikangebot als komplette oder anteilige Gratislösung für den Konsumenten vermarkten. Oder 2) Werbung und Data-Mi- ning («bezahlt durch Aufmerksamkeit») finanzieren das Angebot; in den USA wird bereits über 70% der mobilen digitalen Musikeinnahmen über Werbung generiert (si- ehe Pandora, Rdio).

Schliesslich gibt es noch 3) die Möglichkeit von Beiträgen der Endbenutzer durch Abonnements. Der Pool dieser Lizenzzah- lungen würde nach einer Prorata-Methode von einer Verwertungsgesellschaft wie z.B. Suisa oder Swissperform verteilt – monatlich und in Echtzeit. Jedes genutzte Werk erhält einen proportionalen Prozentsatz am Pool, den es durch Streams und Downloads jeden Monat erworben hat.

Die Vorteile einer Musik-Flatrate

  1. Das Urheberrecht bleibt unverändert, da es sich um eine neue Lizenz handelt (siehe Radiolizenz)
  2. Die Umsätze der Musikindustrie und der Urheber könnten sich verdoppeln
  3. Bestehende Anbieter (z.B. Suisa oder auch Spotify) könnten integriert werden
  4. Die Schweizer Internet-Musiknutzer werden entkriminalisiert
  5. Für die digitale Musikindustrie entsteht eine neue Struktur
  6. Das Schweizer Modell könnte in ganz Europa oder sogar weltweit Anwendung finden

 

Author: boos

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