FutureDay 16 – unangepasste Innovatoren, unterstützende Roboter und mehr Gelassenheit

Der FutureDay ist der jährliche Treffpunkt der Trendforscher im deutschsprachigen Raum und wird organisiert vom Zukunftsinstitut unter der Leitung des Trend-Gurus Matthias Horx. Mehrere hundert Teilnehmer hörten gespannt den vielen vorwiegend one-way Vorträgen zu Trendthemen zu. Viele der Vorträge waren inspirierend und wagten entweder ein Blick in die Zukunft oder boten zur Reflektion über aktuelle Voraussagen und beliebte Buzzwords. Hier ein paar Impressionen aus Vorträgen der Konferenz.

The Misfit economy – Lernen von Piraten, Hackern & Gangstern – Alexa Clay

Das Highlight war der Vortrag von Alexa Clay, freischaffende englischsprachige Autorin. Sie stellte ihre ethnografischen Forschung zu Aussenseitern, von der Norm abweichenden Unternehmen und kriminellen Organisationen vor. Sogenannte „Misfits“ oder Unangepasste wissen aus ihrer Perspektive sehr gut, wie man Organisationen oder die Gesellschaft verändern kann und eigene Ziele darin erreicht. Gemäss ihr hatten beispielsweise Gangs das Franchise Konzept schon lange vor McDonalds getestet und genutzt. 5 Hauptlearnings hat sie aus ihrer bisherigen Forschung gezogen.

5 Hauptlearnings von Misfits

Hervorzuheben ist die Fähigkeit von unangepassten Personen Ressourcen zu mobilisieren und zu finden. Konkret empfiehlt Clay in Organisationen von den nicht angepassten Personen zu lernen, wie diese es trotzdem schaffen die Notwendigen Ressourcen für ihre Themen zu mobilisieren. Kreativ ist auch wer bestehendes nimmt, kopiert und neues draus erstellt. Deshalb soll man auch ein Augenmerk auf Graumärkte legen, um zu verstehen was für neue Bedürfnisse und Nutzungen entstehen. Nennen kann man da durchaus Bittorrent oder andere dezentrale Ansätze, wie gewisse Blockchain Anwendungen, welche ihren Ursprung in der Grauzone hatten.

Katzen sind nicht nur im Internet, sondern auch in Graumärkten unterwegs

Gerade durch Provokationen von Unangepassten, wie beispielsweise Anonymous, werden die Grenzen des Möglichen verschoben und es entsteht Innovation. Um die Trends der Digitalisierung besser zu verstehen, empfiehlt Clay sich also nicht nur Case Studies der bekannten Organisationen anzusehen, sondern den Blick über den Tellerrand zu wagen und von nicht angepassten Menschen und Unternehmen zu lernen. Wir sollten vermehrt auch über unsere Grenzen sehen und uns mit Gruppen oder Themen beschäftigen, welche wir nicht kennen und von dort lernen.

Mythos Disruption – Harry Gatterer – Zukunftsinstitut

Harry Gatterer äusserte sich kritisch zum Mythos Disruption und stellte auch fest das wir im Moment wohl zuviele Lösungen für zuwenig Probleme hätten. Innovation alleine genügt nicht, es braucht auch Klarheit welches Problem man innovativ lösen will.

Plattform-Start Ups denken anders

Aus seiner Sicht besteht zudem ein Missverständnis, wie wir die UberX Firmen verstehen. Wir meinen Uber sei ein Taxiunternehmen oder Airbnb ein Hotelanbieter und beide sehen sich als Konkurrenten in ihren jeweiligen Branchen. Dem sei aber nicht so, beide sehen sich als Plattformen und orientieren sich eher an anderen Plattformen und weniger an den jeweiligen Branchen, welche sie disrupten. Die Plattformen wiederum sind vorwiegend auf Wachstum orientiert und weniger zur Erstellung von neuen Produkten.

Innovationszyklus – Wir sind in der Frenzy Zone

Generell sind wir aktuelle in der Frenzy Zone des Innovationszyklus. Viele Erwartungen, erste Ablösung, Krisen und neue Regeln aber noch keine etablierten neuen Muster Als interessante Gebiete erachtet er diejenigen Felder, wo es noch unentscheidbare Entscheidungen gibt. D.h. Bereiche bei denen durch Digitalisierung neue Regeln und Muster eingeführt werden und dadurch ein Problem anders gelöst wird. Dazu gehören Themenbereiche, wie ein Uber das der Community gehört (Beispiel LeSou aus Israel, Mondragon in Spanien), Lernen (Beispiel Kiron) oder die Frage der Ernährung ohne Fleisch. Passend dazu kam später ein Input von Godo Röben wie das Unternehmen Rügenwalder, welches Fleischwürste produzierte, nun dank veganer Wurst einen neuen Markt aufbauen konnte und damit bereits einen Viertel ihres Umsatzes macht. Damit man neue Trends im Blickfeld halten kann, empfiehlt er permanent die Peripherie im Blick zu halten. D.h. auch zu beobachten was rund um einem passiert und so zu sehen, wo allenfalls erst Signale eines Wandels sichtbar sind.

Gelassenheit als Zukunftsprinzip –Wilhelm Schmid

Während aus seiner Sicht im Silicon Valley viele Leute v.a. die Chancen von Disruptionen sehen, wäre in Deutschland v.a. die Angst ein Thema. Der Philosoph Willhelm Schmid bezeichnete sogar die Angst als europäisches Alleinstellungsmerkmal. Generell empfahl er aber mehr Gelassenheit gegenüber den Trends. Dabei vertraut er auf die grosse Fähigkeit des Menschen Neues zu bewältigen. Und schliesslich sei es auch gut ab und zu auch einmal einen Trend zu verschlafen und wieder aufzuwachen, wenn er durch ist.

Philosoph mit Lampe

Technolution Prinzip: Co-evolution Mensch und Technik – Matthias Horx – Zukunftsinstitut

Der Leiter des Zukunftinstitutes Matthias Horx wiederum erklärte anhand des Technolutionprinzips, wie Technologien über verschiedene Stationen geformt werden und es zu einer Co-Evolution von Technik und Mensch kommt. Macht, Effektivität, Kontrolle und Mobilität treiben Technologie an, werden dann aber von Humanen Gewohnheiten, soziale Selektionen, Adaptionen und Komplexitätskrisen geformt.

Zahnräder der Technolution

Als Beispiel nannte er u.a das Smart Home, welches zwar Effektivität und Kontrolle ermöglicht. Smart Homes scheitern aber gerade an unseren Gewohnheiten oder der enormen Komplexität der Systeme. Spätestens wenn man das Garagentor nur noch mit dem iPad öffnen kann und der gerade Verbindungsprobleme hat, merkt man wie Komplex das ganze bereits ist.

Neue Disziplin für Trendforscher

Als Aufmunterung führte er deshalb in das Thema der Floppologie ein. Dabei geht es darum, dass man nicht nur Voraussagen machen soll über erfolgreiche neue Technologien sondern auch Aussagen über Technologien, welche garantiert scheitern. Als Beispiel nannte er den ewigen Ladenhüter intelligente Kühlschrank, den Running Gag intelligente Kleidung, 3D Fernsehen und Google Glass. Bei Google Glass ist zumindest eine Differenzierung in eine neue Richtung zu erwarten. Offen ist aus seiner Sicht noch das Thema Wearables. Unterdessen bietet das Zukunftsinstitut nicht nur Trendreports an, sondern macht zunehmend auch Beratung mit Workshops. Die Vorgehensweise ist durchaus ähnlich zu anderen Design Thinking / Human Centered Design Ansätzen. Sie legt aber ganz klar den Fokus auf Trends und orientiert sich an Strategie und Management.

Robopsycholgie – Martina Mara – Futurelab ARS electronica

Eine Tour-de-Force durch die aktuelle Trends und Fragen rund um Roboter war der Vortrag von Martina Mara, Leitern RoboPsychologie am Ars Electronica FutureLab. Gemäss aktuellen Studien wollen wir aber scheinbar die Roboter gar nicht so nahe bei uns haben, sondern fänden sie am nützlichsten möglichst weit weg und zwar im Weltall. Nur 13% will sie aktuell im Haushalt haben und noch weniger bei der Betreuung von Kindern oder Alten.

Spitzenreiter Weltallroboter, Heimroboter abgeschlagen mit 13%

Als besondere Herausforderung sieht sie dabei die Grenze zwischen den bisher sehr einfachen als Roboter erkennbaren Robotern und den sehr menschenähnlichen Produkten, welche als Gemoids bezeichnet werden. Menschenähnliche Robotern mit kleinen künstlichen oder nicht perfekten Elementen empfinden die Menschen es als unangenehm und reagieren mit Ablehnung. Dieser Gap in der Entwicklung wird als Uncanny Valley bezeichnet.

Uncanny Valley – Das Tal der Furcht von Roboter

Damit uns die Zukunft mit den Robotern gelingt, empfiehlt sie vermehrt auch positive Zukunftsbilder zu erstellen. Die aktuelle Debatte zeichnet häufig ein Bild bei dem Roboter uns ersetzen. Dem kann aber auch entgegengewirkt werden indem Roboter v.a. so konstruiert werden das sie uns unterstützen. Roboter sollten nicht zu menschenähnlich sein und anstelle eines kompletten Roboters, könnte auch einfach eine Funktion von einem Roboterarm übernommen werden. Als Beispiel nannten sie den Transport von Menschen in eine Badewanne in Spitälern. Als einfacher Roboterarm wird das akzeptiert und gewünscht, als Roboter mit künstlichen Emotionen erzeugt es aber heftige Ablehnung. Menschen akzeptieren funktionale Berührungen, sie wollen aber keine empathische Berührungen von Robotern. D.h. man will nicht von einem Roboter gestreichelt oder getröstet werden.

Der Weg zur positiven Zukunft mit Robotern

Fazit

Der FutureDay ist ein interessanter Tag gespickt mit einigen guten Impulsvorträgen, welche zum Nachdenken anregen und den Horizont öffnen. Viele Signale von neuen Entwicklungen werden v.a. en passant erwähnt und können noch vertieft werden. Selbstverständlich liegt über allem die Trendmap, neu in der Version 2.0.

Trendmap V.2016

Generell ging es aber häufig weniger um konkreten Voraussagen, sondern eher über die Reflektion der gesellschaftlichen Auswirkungen und dem Anstossen von Diskussionen.

Zusammengefasst meine Take-Aways:

  • Misfits rulez: Lerne ausserhalb deiner eigenen Bubble und beobachte wie es Aussenseiter machen.
  • Gelassenheit als Zukunftsprinzip: Wir werden es schon irgendwie bewältigen.
  • Technolotion Prinzip: Adoption verläuft über mehrere Phasen und sowohl die Technik als auch als menschliche Bedürfnisse verändern sich
  • Roboter und Mensch: Nicht auf Empathie fokussieren, sondern auf funktionale Unterstützung.
  • TrendMap: Die Megatrends sind stabil, es geht mehr um die konkrete Umsetzung und Auswirkungen im Alltag.
  • (thx4feedback to Ruz, Artikel wurde zuerst auf dem persönlichen Blog bei Swisscom publiziert und im 2019 auf danielboos.ch migriert)
  • Author: boos